Die erweitert beschränkte Steuerpflicht – was für ein Thema! Wenige Thematiken werden in der Welt der Auswanderer und Perpetual Traveler so heiß diskutiert wie die Frage, ob du auch nach deiner Auswanderung aus Deutschland für 10 Jahre weiter steuerpflichtig in Deutschland bleibst oder nicht.
Im Internet schwirren zur erweitert beschränkten Steuerpflicht viele widersprüchliche Informationen herum. Auch ich werde in meinen Beratungsgesprächen immer wieder nach der erweitert beschränkten Steuerpflicht gefragt. Viele Auswanderer und Perpetual Traveler sind verunsichert.
Was stimmt also? Kannst du dich so einfach aus Deutschland abmelden und als Perpetual Traveler wohnsitzlos, staatenlos und steuerfrei um die Welt reisen? Oder hat der deutsche Staat auf Basis der erweitert beschränkten Steuerpflicht auch bis zu 10 Jahre nach deiner Auswanderung ein Recht, deine Einkünfte zu besteuern? Wann genau greift die erweitert beschränkte Steuerpflicht? Und wie real ist die Gefahr wirklich?
Darüber sprechen wir heute in diesem Blogartikel.
Falls Lesen nicht so dein Ding ist, kannst du dir diesen Artikel auch als Podcast auf YouTube, Spotify oder Apple Podcasts anhören.
Schon mal vorab: Das Thema ist komplex und es lohnt sich, den Artikel aufmerksam bis zum Ende zu lesen – ich erkläre dir einfach und ohne Blabla, was es mit der ganzen Diskussion auf sich hat. Am Ende verrate ich dir auch, was du unbedingt beachten musst, um nicht aus Versehen in eine Steuerfalle zu tappen.
⚠️ WICHTIG: Österreicher:innen und Schweizer:innen (und andere Staatsbürger:innen) sind von den hier beschriebenen Herausforderungen NICHT betroffen, selbst wenn sie vor ihrer Abmeldung in Deutschland gelebt haben. Es gibt keine vergleichbaren steuerlichen Regelungen in Österreich oder der Schweiz.
Erweitert beschränkte Steuerpflicht – Worum geht es überhaupt?
Um zu verstehen, worüber die Staatenlos und Perpetual Traveling Community so heftig diskutiert, müssen wir zuerst die vier verschiedenen Arten der Steuerpflicht in Deutschland verstehen.
Keine Steuerpflicht in Deutschland
Das ist der Idealzustand, den wir nach der Auswanderung aus Deutschland erreichen wollen. In diesem Fall wurde die steuerliche Entstrickung korrekt durchgeführt und es besteht weder eine beschränkte noch eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht in Deutschland.
Unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland
Das Gegenteil von keiner Steuerpflicht. Wie der Name schon sagt, bist du bei der unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes (kurz EStG) ohne Einschränkungen steuerpflichtig. Das heißt, dein Welteinkommen (das gesamte Einkommen, das du weltweit erwirtschaftet hast) wird in Deutschland versteuert. Die unbeschränkte Steuerpflicht greift bei einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Wie der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt definiert werden, erkläre ich dir in diesem Artikel zum Thema Perpetual Traveling (hier kannst du den Artikel als Podcast hören).
Die unbeschränkte Steuerpflicht ist für die meisten Menschen einfach zu verstehen, denn sie ist in der Regel der Normalfall: Du lebst und arbeitest in Deutschland, dementsprechend zahlst du all deine Steuern in Deutschland. Es gibt natürlich wie immer einige Sonderfälle (beispielsweise wenn Doppelbesteuerungsabkommen greifen), aber das ist für diesen Blogartikel nicht relevant.
Beschränkte Steuerpflicht in Deutschland
Bei der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Absatz 4 EStG) hast du keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt mehr in Deutschland, aber weiterhin Einkünfte aus inländischen Quellen. Was als Einkünfte aus inländischen Quellen gilt, steht in § 49 EStG. Diese Einkünfte aus inländischen Quellen müssen gemäß der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland versteuert werden.
Einkünfte aus inländischen Quellen gemäß § 49 EStG entstehen zum Beispiel, wenn du nach deiner Abmeldung:
- weiterhin ein Business aus Deutschland heraus führst (zum Beispiel, wenn im Inland weiterhin eine Betriebsstätte oder eine ständige Vertretung existiert),
- weiterhin in Deutschland selbstständig arbeitest (also selbstständige Arbeit in Deutschland ausübst oder verwertest),
- weiterhin in Deutschland auf nichtselbstständiger Basis arbeitest (also nichtselbständige Arbeit in Deutschland ausübst oder verwertest),
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hast (zum Beispiel durch das Vermieten von Immobilien)
- Einkünfte aus Kapitalvermögen hast,
- und einigen weiteren Beispielen.
Wichtig zu verstehen ist, dass es sich bei § 49 EStG um einen sogenannten abschließenden Paragraphen handelt, das heißt, alles, was nicht in § 49 EStG genannt wird, gilt auch nicht als inländische Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht und muss damit nicht in Deutschland versteuert werden.
Anders ausgedrückt bedeutet das, dass Einnahmen, die du mit deiner Auslandsfirma (beispielsweise einer US LLC) im Ausland erwirtschaftest, selbst beim Bestehen einer beschränkten Steuerpflicht nicht in Deutschland versteuert werden müssen. Es muss nicht dein Welteinkommen versteuert werden, sondern versteuert wird nur das Einkommen, das du aus inländischen Quellen gemäß § 49 EStG erhältst.
Bei der Begrifflichkeit “inländisches Einkommen” kommt es dabei oft zu Verunsicherungen. Viele Auswanderer und Perpetual Traveler fragen sich, ob auch die Arbeit für deutsche Kund:innen aus dem Ausland als “inländisches Einkommen” gilt – immerhin sitzen die Kund:innen ja in Deutschland. Doch gute Neuigkeiten: Die Arbeit für Kund:innen aus Deutschland führt nicht zu einer beschränkten Steuerpflicht in Deutschland – allerdings nur, sofern du über eine Auslandsfirma wie die US LLC abrechnest und nicht als Privatperson Rechnungen schreibst.
Erweitert beschränkte Steuerpflicht in Deutschland für Auswanderer & Perpetual Traveler
Hier wird es nun kompliziert. Schauen wir uns zunächst einmal an, wann die erweitert beschränkte Steuerpflicht im Normalfall greift.
Um die erweitert beschränkte Steuerpflicht zu verstehen, müssen wir uns dabei nicht mehr nur das Einkommensteuergesetz anschauen, sondern auch auf das Außensteuergesetz schauen. In § 2 Außensteuergesetz (AStG) wird definiert, dass die erweitert beschränkte Steuerpflicht für natürliche Personen greift, die
- in einem ausländischen Gebiet ansässig sind (fester Wohnsitz), in dem sie mit ihrem Einkommen einer niedrigen Besteuerung unterliegen als in Deutschland (als Faustregel gilt hier eine Steuerlast die 20% oder weniger beträgt) oder
- für Personen, die in keinem ausländischen Gebiet ansässig sind (wechselnder Wohnsitz, sogenannte Perpetual Traveler) und
- welche in den letzten 10 Jahren vor der Verlegung/Aufgabe ihres Wohnsitzes insgesamt 5 Jahre (akkumuliert, das heißt dieser Zeitraum muss nicht am Stück bestanden haben!) als deutsche Staatsbürger (für Ausländer gilt die Regelung nicht) unbeschränkt steuerpflichtig waren und
- weiterhin im Inland (Deutschland) wesentliche wirtschaftliche Interessen nach § 2 Abs. 3 AStG haben.
Wir sehen also, dass es bei der erweitert beschränkten Steuerpflicht im Normalfall grundsätzlich um die Frage geht, ob nach der Abmeldung aus Deutschland weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland (also in Deutschland) bestehen.
Sind alle oben genannten Voraussetzungen erfüllt (deutsche Staatsbürgerschaft, vor Auswanderung mindestens 5 Jahre unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig etc.), gilt es also zu prüfen, ob wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland gegeben sind oder nicht, denn dies entscheidet im Normalfall darüber, ob die erweitert beschränkte Steuerpflicht überhaupt greift.
Schauen wir uns daher an, wie diese wesentlichen wirtschaftlichen Interessen gemäß § 2 Abs. 3 AStG definiert werden.
Auswandern Steuern – Wesentliche wirtschaftliche Interessen
Laut § 2 Abs. 3 Außensteuergesetz liegen wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland vor, wenn:
- Mehr als 30% aller weltweiten Gesamteinkünfte aus Deutschland kommen oder die Einkünfte aus dem Inland 62.000 Euro pro Jahr überschreiten.
- Vermögen inländisch gehalten wird, das mehr als 30% des Gesamtvermögens ausmacht oder inländisches Vermögen in Höhe von 154.000 Euro oder mehr existiert.
- du Einzelunternehmer:in, persönlich haftende:r Gesellschafter:in oder Kommanditist:in einer inländischen Firma mit mind. 25 % Beteiligung bist oder
- mindestens 1 % an einer inländischen Kapitalgesellschaft gehalten hast.
Gehen wir das mal der Reihe nach durch.
Mehr als 30% des Einkommens aus inländischen Quellen beziehungsweise inländische Einnahmen von mehr als 62.000 Euro pro Jahr
Das heißt konkret: Generierst du zum Beispiel mit der Vermietung von Immobilien am Standort Deutschland mehr als 62.000 Euro Gewinn pro Jahr, giltst du in Deutschland als erweitert beschränkt steuerpflichtig. Gleiches gilt, wenn du zum Beispiel im Jahr insgesamt 50.000 Euro verdienst (Welteinkommen), davon aber 25.000 Euro (50%) mit Einkünften aus deutschen Quellen erwirtschaftest. In diesem Fall kommen mehr als 30% deiner Einnahmen aus inländischen Quellen und die erweitert beschränkte Steuerpflicht greift.
Wichtig zu verstehen: Die Arbeit für deutsche Kunden (also die Rechnungsstellung an deutsche Kunden aus dem Ausland mittels US LLC, UK LLP oder einer anderen Rechtsform) zählt NICHT als Einkommen aus inländischen Quellen (wenn du als Privatperson abrechnest aber schon!).
Lebst du zum Beispiel in Dubai und stellst alle deine Rechnungen an deutsche Kunden mit einer Dubai Free Zone Company, gelten diese Einnahmen nicht als Einkünfte aus inländischen Quellen. Anders sieht es aber aus, wenn du ein Perpetual Traveler ohne festen Wohnsitz bist (siehe weiter unten).
Inländisch gehaltenes Vermögen, dass mehr als 30% des Gesamtvermögens ausmacht oder in Summe mehr als 154.000 Euro Wert ist
Sagen wir du hast ein Privatvermögen von insgesamt 100.000 Euro. Davon befinden sich 50.000 Euro (50%) in der Form von Bargeld auf deinem deutschen Privatkonto. Dieses Geld gilt als inländisch gehaltenes Vermögen und die erweitert beschränkte Steuerpflicht greift.
Das Gleiche gilt beispielsweise auch, wenn du eine inländische Immobilie besitzt, die mehr als 154.000 Euro wert ist.
Hier gilt wie immer: Achte darauf, dass du deine steuerliche Entstrickung aus Deutschland sauber durchführst.
Du bist Einzelunternehmer:in, persönlich haftende:r Gesellschafter:in oder Kommanditist:in einer inländischen Personengesellschaft oder Einzelunternehmens mit mind. 25 % Beteiligung bist oder hast in den letzten 10 Jahren mindestens 1 % an einer inländischen Kapitalgesellschaft gehalten
Hast du in den letzten 10 Jahren vor deinem Wegzug mindestens 1% an einer deutschen Kapitalgesellschaft gehalten und deine Beteiligung vor deinem Wegzug veräußert, greift die erweitert beschränkte Steuerpflicht. Tatsächlich besteuert wirst du aber nur, sofern du Einkünfte auf Basis dieser ehemaligen Beteiligung nach deiner Auswanderung generierst.
Alle Einkünfte, die du als Einzelunternehmer:in, persönlich haftende:r Gesellschafter:in oder Kommanditist:in einer inländischen Personengesellschaft (also einer GbR, KG oder OHG) erhältst, müssen ebenfalls weiterhin im Rahmen der erweitert beschränkten Steuerpflicht in Deutschland versteuert werden.
So manch ein angehender Perpetual Traveler oder Digitaler Nomade wird nun sagen: Okay, alles gut. Ich erfülle keines der Kriterien, also bin ich aus dem Schneider. Die Antwort darauf ist: Ja. Und nein. Let me explain…
Das Perpetual Traveler Problem
Als ob das Ganze nicht schon kompliziert genug ist, wird es hier nun nochmal extra extra komplex. Um es für dich einfach verständlich zu machen, breche ich die Thematik auf die wesentlichen Kernpunkte herunter.
Im Prinzip geht es bei dem Problem rund um Perpetual Traveling um Folgendes: Lange Zeit war es im deutschen Steuerrecht unklar, ob es so etwas wie “betriebstättenlose Einkünfte” oder “floating income” gibt. Betriebsstättenlose Einkünfte sind Einnahmen, die “staatenlos” von überall auf der Welt aus generiert werden. Das Gegenteil davon ist Einkommen, das von einem definierten Ort aus (einer sogenannten Betriebsstätte) erwirtschaftet wird.
Zu diesem Streitpunkt traf der Bundesfinanzhof (BFH) am 19.12.2007 eine Entscheidung. Der Bundesfinanzhof entschied, dass Einkünfte IMMER einer ausländischen oder inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet werden müssen.
Laut Bundesfinanzhof gibt es also keine betriebsstättenlosen Einkünfte. Der BFH geht davon aus, dass jedes Unternehmen zumindest eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte (also da, wo das Geschäft geleitet wird) im Inland oder Ausland hat.
Am 01. Januar 2009 passte der Gesetzgeber dann das Außensteuergesetz an. Dieses Gesetz bildet die Grundlage für alle Entscheidungen der Finanzämter und Finanzbehörden.
Dazu stellt sich nun die für uns entscheidende Anschlussfrage: Wenn Einkünfte nur von einer Betriebsstätte im Inland oder Ausland aus erwirtschaftet werden können und nicht “betriebststättenlos” sein können, wo ist dann die Geschäftsleitungsbetriebsstätte eines Perpetual Travelers, der quasi permanent reist und von überall aus arbeitet?
Die verblüffende Antwort: Laut §2 AStG in Deutschland, nämlich als sogenannte “fiktive Betriebsstätte” beziehungsweise noch genauer “fiktive Geschäftsleitungsbetriebsstätte”. (Der Begriff “fiktive (Geschäftsleitungs)Betriebsstätte” taucht so im Gesetz übrigens nicht auf, es ist aber die allgemeine Bezeichnung für den Umstand, dass eine Betriebsstätte in Deutschland angenommen wird)
Die fiktive Betriebsstätte in Deutschland
Konkret bedeutet das, dass ein Perpetual Traveler laut Gesetz in Deutschland eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte hat, sofern er keine “echte” ausländische Betriebsstätte nachweisen kann. Bei einer echten ausländischen Betriebsstätte würde das Besteuerungsrecht Deutschlands entfallen. Bei einer (realen oder angenommenen) inländischen Betriebsstätte hat Deutschland ein Besteuerungsrecht. Das gilt auch, wenn du deine Rechnungen über eine US LLC schreibst.
Die Einkünfte, die du als Perpetual Traveler mit deinen Kund:innen weltweit erwirtschaftest, gelten damit als “erweiterte Inlandseinkünfte” beziehungsweise als “nicht ausländische Einkünfte”. Dies führt effektiv dazu, dass diese Einkünfte, sofern sie die Grenze von jährlich 16.500 Euro überschreiten, unter die erweitert beschränkte Steuerpflicht fallen.
Wesentliche wirtschaftliche Interessen – bei einer fiktiven Betriebsstätte nicht relevant
Wie oben erläutert, müssen im Normalfall der erweitert beschränkten Steuerpflicht wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland bestehen, damit die erweitert beschränkte Steuerpflicht überhaupt greift.
Eventuell hattest du basierend auf den oben genannten Ausführungen also für dich entschieden, dass die erweitert beschränkte Steuerpflicht für dich nicht relevant ist, da du diese wesentlichen wirtschaftlichen Interessen nicht hast. Doch Achtung! In einem Perpetual Traveling Szenario löst die angenommene fiktive Betriebsstätte wesentliche wirtschaftliche Interessen aus.
Beim Perpetual Traveling wird eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Deutschland (die sogenannte “fiktive Betriebsstätte”) angenommen, welche per se wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland unterstellt. Dadurch wird die erweitert beschränkte Steuerpflicht ausgelöst.
16.500 Euro Grenze – Welche Einkünfte zählen?
Auch dieses Thema ist sehr spannend. Online finden sich viele unterschiedliche Antworten zu der Frage, ob die 16.500 Euro auf das gesamte Welteinkommen gelten oder nur auf Einnahmen, die unter die erweitert beschränkte Steuerpflicht fallen.
Soll heißen: Gilt die erweitert beschränkte Steuerpflicht nur für Personen, die so oder so in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind und mit ihren beschränkt steuerpflichtigen Einnahmen mehr als 16.500 Euro pro Jahr erwirtschaften? Oder gilt die erweitert beschränkte Steuerpflicht prinzipiell für alle Wohnsitzlosen, die mehr als 16.500 Euro pro Jahr verdienen?
Auch die Antwort dazu ist tricky (du siehst, es ist einfach generell ein schwieriges Thema). Theoretisch gilt diese Grenze auf das weltweite Einkommen – das steht eindeutig im Gesetz und wurde auch vom BFH so bestätigt (auch wenn die ein oder andere Person online dich vom Gegenteil überzeugen will). In der Praxis ist es allerdings in der Tat so, dass in allen gerichtlichen Verfahren zum Thema erweitert beschränkte Steuerpflicht die Kläger:innen stets bereits unter die beschränkte Steuerpflicht fielen und es im Wesentlichen immer um die Frage ging, ob Deutschland auch ein Besteuerungsrecht auf weitere Einkünfte der Kläger:innen im Rahmen der erweitert beschränkten Steuerpflicht hat.
Das ist auch der Fall in dem Urteil vom 14. Januar 2025, was online seit Monaten mal wieder heiß diskutiert wird. Die Klägerin (die in ein Niedrigsteuerland ausgewandert war) fiel bereits unter die beschränkte Steuerpflicht, da sie in Deutschland Mieteinnahmen in Höhe von 103.339 Euro erwirtschaftete. Streitpunkt war nun, ob auch ihre Kapitalerträge (Zinsen und Dividenden) der inländischen Besteuerung unterliegen. Hier entschied der Bundesfinanzhof im Januar 2025, dass auch diese Einnahmen im Rahmen der erweitert beschränkten Steuerpflicht in Deutschland versteuert werden müssen. Wichtig hervorzuheben ist aber wie gesagt, dass die Klägerin nicht Perpetual Travelerin war (es also nicht um betriebsstättenlose Einkünfte ging) und sie ebenfalls bereits beschränkt steuerpflichtig in Deutschland war.
Erweitert beschränkte Steuerpflicht – Theorie & Praxis klaffen auseinander
Hier kommen wir auch schon zu einem sehr entscheidenden Punkt: Theorie und Praxis klaffen beim Thema erweitert beschränkte Steuerpflicht sehr weit auseinander. Das ist nicht ungewöhnlich und in vielen Ländern der Fall – zum Beispiel in Mexiko, wo das Gesetz die Besteuerung des Welteinkommens vorgibt, in der Praxis aber nach dem Territorialprinzip besteuert wird. Oder in Vietnam, wo bei einem Aufenthalt von mehr als 183 Tagen die unbeschränkte Steuerpflicht ausgelöst wird und offiziell Steuern anfallen, diese aber von den Behörden nicht eingefordert werden.
Was das konkret bedeutet, ist, dass die erweitert beschränkte Steuerpflicht für Perpetual Traveler laut Gesetz tatsächlich ein Risiko darstellt. Viele Perpetual Traveler erleben aber in der Praxis, dass das Gesetz seit seiner Einführung vor rund 50 Jahren nicht wirklich umgesetzt wurde. De facto ist die Zahl der erweitert beschränkten Steuerpflichtigen in Deutschland seit Jahren rückläufig.
Im Jahr 2022 fielen demnach nur insgesamt 65 Personen unter die erweitert beschränkte Steuerpflicht in Deutschland (bei insgesamt 1.2 Millionen Personen, die 2022 auswanderten). Im Jahr 2021 waren es 75 Personen, die von der erweitert beschränkten Steuerpflicht betroffen waren, im Jahr 2020 124 Personen. Bei Hunderttausend von Auswanderern jährlich sind diese Zahlen natürlich verschwindend gering.
Trotzdem darf man das Gesetz natürlich nicht ignorieren, denn es gilt als “offizielle Regel”. Auch wenn es in 50 Jahren seit Einführung des Gesetzes nur zu extrem wenigen Verfolgungen kam, heißt das nicht, dass die Finanzämter nicht irgendwann in ihrer Not versuchen werden, Auswanderer stärker zu verfolgen.
Eine Lösung: Echte Betriebsstätte etablieren
Wie du vielleicht jetzt schon realisiert hast, ist eine Möglichkeit dich gegen die erweitert beschränkte Steuerpflicht abzusichern, die Etablierung einer “echten Betriebsstätte”. Mit einer echten Betriebsstätte kann dein Einkommen eineindeutig einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet werden und entzieht sich der Besteuerung durch den deutschen Fiskus.
Dabei reicht es allerdings nicht, wenn du dir einen bloßen Compliance Wohnsitz zulegst. Soll heißen: Eine bloße Residency Card hilft dir beim Aufbau einer echten Betriebsstätte wenig. Vielmehr muss es sich um einen echten, zur dauerhaften Nutzung ausgelegten Wohnsitz handeln – das heißt, um eine wirkliche, eingerichtete Wohnung.
Außerdem solltest du in diesem Land, in dem die Wohnung liegt, auch die unbeschränkte Steuerpflicht auslösen. Sonst bleibst du aus Sicht des deutschen Gesetzes “wohnsitzlos” und es wird weiterhin eine fiktive Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Deutschland angenommen.
Dabei gilt wie immer: Keine Panik auf der Titanic. Das alles lässt sich mit der richtigen Struktur legal und nachhaltig lösen. Wir helfen dir, eine echte steuerliche Ansässigkeit im Ausland aufzubauen. Unsere Lösungen starten ab ca. 3.500 Euro pro Jahr. Wenn dich das interessiert, vereinbare gerne ein Beratungsgespräch.
Steuern für Auswanderer – Was heißt das für dich?
Gut und schön Antonia, doch was bedeutet das jetzt alles? Is Perpetual Traveling dead?
Um dies zu beantworten, müssen wir uns zunächst einmal fragen: Warum verbringen so viele Menschen im Internet ihre Zeit damit, dich von ihrer Perspektive überzeugen zu wollen? Immerhin finden wir zum Thema erweitert beschränkte Steuerpflicht eine schiere Flut an Artikeln, YouTube Videos, Podcasts etc. Dabei bezeichnen die einen Perpetual Traveling als heiligen Gral der Steueroptimierung, die anderen sehen Perpetual Traveler schon mit einem Bein im Gefängnis. Doch warum das Ganze? Du ahnst es schon: Es soll dir etwas verkauft werden.
Die Perpetual Traveling Gurus liefern dir verschiedene Argumente, warum Perpetual Traveling legal und ohne Probleme möglich ist. Warum? Sie wollen dir den Perpetual Traveling Lifestyle verkaufen.
Die Perpetual Traveling Hater feuern dagegen. Stundenlang erklären sie dir, weshalb das Ganze klare Steuerhinterziehung ist und es nur eine Frage der Zeit ist, bis das Finanzamt dich im Ausland findet und zur Kasse bittet.
Dabei sind die Gegner von Perpetual Traveling natürlich keine selbstlosen Mutter Theresas des Internet – denn auch sie wollen dir etwas verkaufen: Nämlich in den meisten Fällen teure Beratungen und/oder einen steuerlichen Wohnsitz, der vor der erweitert beschränkten Steuerpflicht schützen soll.
Auch im Club der Freiheit bieten wir natürlich Steuerwohnsitze, Auslandsfirmen und Co. an. Auch wir verkaufen dir etwas. Dennoch ist unser Hauptziel, dir alles nötige Wissen an die Hand zu geben, um eigenständig die richtige (steuerliche) Entscheidung für dich und dein Leben treffen zu können. Wir stellen uns nicht auf die eine oder andere Seite – sondern beraten dich so, dass du am Ende Klarheit hast, weißt was du tust und selbst entscheiden kannst, welche Lösung für dich die beste ist und wie viel Risiko du bereit bist, einzugehen.
Fazit
Die Auseinandersetzung mit der erweitert beschränkten Steuerpflicht ist relevant. Doch sowohl Personen, die dir versichern, dass das alles gar kein Problem sei, als auch Personen, die dich schon mit einem Bein im Gefängnis verorten, haben eine Agenda – nämlich dir etwas verkaufen zu wollen.
Wie gefährlich ist nun die erweitert beschränkte Steuerpflicht?
Die ehrliche Antwort darauf ist: Nicht gefährlich, nicht ungefährlich. Laut Gesetz besteht für Perpetual Traveler, Wohnsitzlose und Staatenlose in der Tat ein Risiko. Das Gesetz ist eindeutig (wenn auch extrem kompliziert). Besteht keine Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Ausland, wird eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Inland (“fiktive Betriebsstätte”) angenommen. Dies löst die erweitert beschränkte Steuerpflicht aus. Alles Einkommen gilt so als “nicht ausländisches” Einkommen, das der deutschen Besteuerung unterliegt.
Praktisch ist es weiterhin so, dass die Finanzbehörden die erweitert beschränkte Steuerpflicht kaum bis gar nicht auf dem Schirm haben. Dies liegt sicherlich auch an der Komplexität des Themas. Wie lange dies noch so bleiben wird, ist unklar.
Falls du dich für Perpetual Traveling entscheidest, solltest du dir der rechtlichen Risiken bewusst sein. Dabei sollte Perpetual Traveling nicht als dauerhafter Lifestyle gesehen werden – sondern allenfalls als kurze Zwischenstation im Aufbau einer geeigneten Struktur, die zu dir und deinem Leben passt.
In jedem Fall lohnt es sich, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Aktuell kannst du dich noch relativ einfach und unkompliziert abmelden. Regelungen wie die Wegzugsbesteuerung treffen (noch) die wenigsten. Doch Gesetze ändern sich – daher warte nicht mehr zu lange. Viele Länder bieten dir deutlich bessere Bedingungen für deinen Vermögensaufbau und deine individuelle Selbstverwirklichung (und sehr wahrscheinlich besseres Wetter 😎).
Zusammenfassung
Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht kann auch nach deiner Abmeldung aus Deutschland greifen – und zwar bis zu 10 Jahre lang, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Besonders relevant wird das für dich, wenn du noch Einkünfte oder Vermögen in Deutschland hast oder als Perpetual Traveler ohne festen Wohnsitz unterwegs bist. Denn dann nimmt das Finanzamt unter Umständen eine sogenannte fiktive Betriebsstätte in Deutschland an – selbst wenn du von überall auf der Welt arbeitest.
In der Praxis wird das Gesetz aktuell kaum angewendet, wenngleich das Risiko bestehen bleibt.
Wer auf Nummer sicher gehen will, braucht eine klare Exit-Strategie und sollte eine echte Betriebsstätte im Ausland aufbauen, inklusive Wohnsitz und Steuerpflicht im jeweiligen Land.
Unser Rat: Perpetual Traveling kann funktionieren – als Übergangsmodell. Für langfristige Freiheit und Sicherheit brauchst du aber ein solides Fundament. Wir helfen dir gerne dabei.